Obering. K.-H. SCHUBERT - Y21XE Chefredakteur FUNKAMATEUR

Mikroelektronik in der DDR
(Auszug aus den ersten beiden Folgen der Artikelserie)


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Wie begann das eigentlich mit der Mikroelektronik?

Es ist gerade 38 Jahre her, daß das Patent für einen Halbleiterverstärker, genannt "Transistor", erteilt wurde. Das berühmte USA-Patent Nr. 2 524 035 erhielten 1948 John Bardeen (geb. 1908), Walter H. Brattain (geb. 1902) und William Shockley (geb. 1910), die in den Bell-Laboratorien die Halbleitereigenschaften des Germaniums untersuchten. Der erste Transistortyp, den sie entwickelten, war ein sogenannter Spitzentransistor. Auf einem n-leitenden Germaniumblock waren im Abstand von 20 Mikrometern zwei Spitzen aus Phosphorbronze aufgesetzt, eine bildete den Emitter-, die andere den Kollektoranschluß. In der Umgebung der Spitzen waren durch Formieren p-leitende Zonen entstanden. Damit war der Transistor mit der Zonenfolge p-n-p geschaffen, er kann als der Vorfahre aller nachfolgenden Entwicklungen angesehen werden. Zu Recht erhielten deshalb 1956 die Erfinder des Transistors den Nobel-Preis für Physik. 

Frankfurter Institut für Halbleiterphysik

Aber jede neue Entwicklung baut auf dem vorhandenen Erkenntnisstand auf. Das heute in der Mikroelektronik meistverwendete Material ist Silizium, das der schwedische Chemiker Jöns Jakob Berzelius 1823 entdeckt hatte. Für die Halbleiterelektronik erlangte es allerdings erst Bedeutung, als man es in höchster Reinheit herstellen konnte. Dabei bedeutet die erforderliche Reinheit von 99,9999999%, daß auf eine Milliarde Siliziumatome nur ein einziges Fremdatom entfällt. Etwa um 1833 wurden von dem englischen Physiker und Chemiker Michael Faraday Halbleitereigenschaften nachgewiesen. Und das ebenfalls als Halbleiter- Grundstoff verwendete Germanium konnte 1886 von dem deutschen Chemiker Clemens Winkler an der Bergakademie Freiberg entdeckt werden. Es war bereits einige Jahre davor von D. J. Mendelejew anhand seines periodischen Systems der Elemente als "Ekasilizium" vorausgesagt worden. Den Gleichrichtereffekt bei Halbleitern entdeckte F. Braun 1874 bei Stromflußuntersuchungen in Metallsulfiden. Die sich entwickelnde Funktechnik verlangte nach einem Detektor zum Nachweis der elektrischen Wellen. So konnte 1906 der bis dahin verwendete unstabile Metallfritter (Kohärer) von Branly durch den Kristalldetektor von H. H. C. Dunwoody abgelöst werden. Ebenfalls 1906 wurde von G. W. Pickard ein Siliziumdetektor mit Spitzenkontakt als HF- Gleichrichter vorgeschlagen. 1915 untersuchte C. A. F. Benedicks Gleichrichtereigenschaften beim Germaniumkristall. 

Frankfurter Institut für Halbleiterphysik 

In den Anfangsjahren des Rundfunks, als der Kristalldetektor hauptsächlich als HF-Demodulator verwendet wurde, entdeckte O. W. Lossew, daß Kristalldetektoren unter bestimmten Voraussetzungen zur Schwingungserzeugung geeignet sind. Lossew entwickelte daraus den sogenannten Crystadynempfänger. Weil aber über die Vorgänge in Halbleitermaterialien nur ungenügende Kenntnisse vorhanden waren, wurden damals diese Arbeiten nicht fortgeführt. Während alle auftretenden Verstärkerprobleme mit der sich rasch entwickelnden Elektronenröhre realisiert wurden, gab es bei den Halbleiterdioden weitere Entwicklungen. Etwa 1925 kam der Kupferoxydulgleichrichter, 1928 der Selengleichrichter und 1941 die Germaniumdiode zur Anwendung. Bereits Anfang der 30er Jahre erhielten Lilienfeld und Heil unabhängig voneinander Patente für einen Feldeffekttransistor, der danach technisch nicht realisiert werden konnte.
Die eigentliche Entwicklung der Halbleitertechnik begann 1948 mit dem Spitzentransistor, der eine Flut von Forschungsarbeiten zur Untersuchung der Eigenschaften von Halbleiter- Einkristallen auslöste. Sehr schnell folgten neue Transistortypen mit verbesserten Eigenschaften. Das waren 1951 der Legierungstransistor und danach der Flächentransistor. 1953 folgte der Drifttransistor und 1954 der Siliziumtransistor, der später gegenüber dem Germaniumtransistor eine größere Bedeutung erlangte. Mit dem Diffusionstransistor und dem Mesatransistor erreichten 1956 die Germaniumtransistoren einen gewissen Abschluß. Die Forschung konzentrierte sich auf den aussichtsreichen Siliziumtransistor und den noch ausstehenden Feldeffekttransistor. Eine wesentliche Verbesserung brachte 1960 die Entwicklung der Silizium- Planartechnologie, mit der erst Feldeffekttransistoren und integrierte Schaltkreise realisierbar waren.

"MC 80" aus dem VEB Elektronik Gera 

1958 wurde von dem Amerikaner Kilby erstmals eine integrierte Schaltung angegeben. Sie war noch primitiv, und enthielt nur wenige integrierte Bauelemente. 1960 begann Texas Instruments (TI) mit der Fertigungsaufnahme einer ersten Serie von digitalen, bipolaren Schaltkreisen (RCTL- Serie 51). Und 1962 entstand die bekannte TTL- Schaltkreisfamilie mit bipolaren Transistoren, 1964 folgten die unipolaren MOS- Schaltkreise. Eine wesentliche Verbesserung gelang 1967 mit der komplementären MOS-Technik (CMOS). Die weitere Entwicklung hochintegrierter Schaltkreise konzentrierte sich auf verbesserte MOS-Technologien, da die MOS-Struktur einen kleineren Flächenbedarf hat. Integrierte Schaltkreise werden kollektiv im Scheibenprozeß hergestellt. Durch die ständige Verringerung des Flächenbedarfs der Bauelemente und die möglichen größeren Chips durch steigende Scheibendurchmesser wird die Anzahl der Funktionselemente/Chip laufend erhöht. 1 Million Funktionselemente/Chip liegen heute im Bereich des Möglichen.

Raster- Digitalisiergerät 

Der Mikroprozessor, heute der zentrale Baustein der Mikroelektronik, war eigentlich eine Fehlentwicklung. Die Firma Datapoint Corp. hatte für ihre Rechner eine einfache Zentraleinheit entworfen. Von den Firmen TI und Intel ließ sie dafür eine integrierte Version auf einem Chip entwickeln. 1969 hatte der Intel- Mitarbeiter M. E. Hoff diese Aufgabe erfolgreich gelöst. Aber der Chip führte die Befehle zu langsam aus, so daß Datapoint nicht daran interessiert war. So saß Intel auf einem computerähnlichen Chip, der hohe Kosten verursacht hatte. Man bot ihn 1971 als programmierbaren Logikschaltkreis "8008" an. Findige Ingenieure ergänzten den "8008" mit peripheren Schaltkreisen zum Mikrocomputer mit 8 Bit Verarbeitungsbreite.
 

Wie begannt es in der DDR?

Die Entwicklung der Halbleiterproduktion in der DDR begann 1952 im Werk für Bauelemente der Nachrichtentechnik "Carl von Ossietzky" in Teltow bei Berlin (heute Stammbetrieb im VEB Kombinat Elektronische Bauelemente). Eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Dr. Mathias Falter begann mit der labormäßigen Herstellung von Germanium- Spitzentransistoren. Diese Transistoren hatten drei Steckerstifte, und wie bei Elektronenröhren erforderten sie eine 3polige Steckfassung für den Schaltungsaufbau. Das Halbleitermaterial war n-leitendes Germanium. Im Abstand von 20 Mikrometern waren zwei geätzte Spitzen (Emitter/ Kollektor) aus Phosphorbronze aufgesetzt, in deren Umgebung p-leitende Zonen durch Formieren erzeugt wurden. Damit entstand die für den Transistor erforderliche Zonenfolge p-n-p.
Hergestellt wurden mehrere NF-Transistoren (1 NC-010/022), ein Audiontransistor (2 NC-010) und ein Oszilatortransistor (3 NC-010). Die Stromverstärkung dieser Transistoren war nicht groß, die Grenzfrequenz reichte bis 10 MHz. Die Verlustleistung lag im Bereich von 100 bis 150mW, für die Kollektorspannung wurde maximal 50V angegeben. Sehr schnell wurden Mitte der 50er Jahre die Spitzentransistoren von den besseren Flächentransistoren verdrängt. Erste p-n-p- Flächentransistoren waren die NF- Typen OC 810/ OC 811.

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Am 2. Januar 1958 begann dann der VEB Halbleiterwerk Frankfurt (Oder) mit der Produktion von Halbleiterdioden im Gebäude seiner heutigen Betriebsberufsschule, ab 1959 wurden verbesserte Germaniumtransistoren gefertigt. Inzwischen entstand der Werkskomplex Markendorf, in dem heute mehrere tausend Halbleiterwerker arbeiten. Ab 1967 wurden Siliziumtransistoren produziert, 1971 begann die Fertigung von integrierten Schaltkreisen in Frankfurt (O.).

Schachcomputer "chess master" 

Der ständig steigende Bedarf an Halbleiterbauelementen in der Volkswirtschaft der DDR führte zum Aufbau weiterer Fertigungskapazitäten. So werden heute bipolare Transistoren und Schaltkreise vorwiegend im VEB Halbleiterwerk Frankfurt (Oder) und im VEB Mikroelektronik "Anna Seghers" Neuhaus gefertigt. Unipolare MOS- Transistoren und MOS- Schaltkreise produzieren der VEB Mikroelektronik "Karl Marx" Erfurt und der VEB Zentrum für Forschung und Technologie Mikroelektronik Dresden. Halbleitergleichrichter gehören zum Produktionsprofil des VEB Mikroelektronik "Karl Liebknecht" Stahnsdorf und optoelektronische Bauelemente produziert der VEB Werk für Femsehelektronik Berlin. Seit Anfang 1978 ist die Halbleiterindustrie der DDR im VEB Kombinat Mikroelektronik zusammengeschlossen.

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(Artikel gekürzt)


Vielen Dank an Hans-Georg Demme aus Gotha für die Bereitstellung des zweiten Teiles (FA 05/86) dieses Artikels !