S. SCHLENZIG / K. SCHLENZIG

Textverarbeitung mit 80-Zeichen-Darstellung auf Kleincomputern


Grafikfähige Kleincomputer wie die Typen "KC 85/2" und "KC 85/3" (VEB Mikroelektronik "Wilhelm Pieck", Mühlhausen) haben einen großen Einsatzspielraum. Der Nutzer kann bei der Erarbeitung von Software für die verschiedensten Zwecke vorteilhaft von der Einzelpunktsteuerung Gebrauch machen. Das bietet sich nicht nur für Feingrafik direkt an, sondern erlaubt auch eine komfortable Textverarbeitung.
 

80 Zeichen auf dem Schirm

Mit Rücksicht auf die begrenzte Auflösung des bei Erstnutzung meist unverändert verwendeten Sichtgeräts in Form eines "Junost", "Combivision" o. ä. über den Tunereingang geht man bei Kleincomputern meist von einer 40-Zeichen-Darstellung je Zeile aus. Dem angepaßte Textsysteme lassen den Schirm zum Fenster werden, in dem die volle Zeilenlänge von z. B. 80 Zeichen jeweils nur zur Hälfte zu sehen ist.
Bei den nur mit vollständigen Zeichen ladbaren sparsamen Bildspeichern bestimmter
Computertypen läßt sich das nicht ohne weiteres ändern. Der KC 85/1 vom Kombinat ROBOTRON gehört zu dieser Gerätegruppe. Demgegenüber sind KC 85/2 und KC
85/3 mit sogenannten Pixelspeichern ausgerüstet. Die Zeichen werden vom Programm erzeugt und stehen als Tabelle im Arbeitsspeicher. Das bedeutet allerdings wesentlich mehr Speicherplatzbedarf im Bildspeicher und eine geringere Geschwindigkeit. Es fällt nicht schwer, die Zeichenmatrix softwaremäßig zu halbieren und dann mit einem neu definierten Zeichensatz auf jeder Zeile gleichzeitig sichtbar 80 statt 40 Zeichen darzustellen. Jetzt genügt aber die durch den HF-Weg stark verschlechterte Zeichenwiedergabe den Anforderungen nicht mehr. Übergang auf echten Monitorbetrieb ist erforderlich. Einfache Umrüstschaltungen dafür sind auch bereits im FUNKAMATEUR erschienen. Die im Beitrag enthaltenen Fotos wurden von den Bildschirmen zweier mit einen FBAS-Eingang nachgerüsteter Farbempfänger aufgenommen. Bereits zwischen beiden Modellen ergaben sich Schärfeunterschiede. Für Textverarbeitung ist ein Schwarzweißgerät mit 28- bis 31-cm-Bildschirm vorzuziehen.
 

Entstehung von "Wordpro"

Kleincomputer werden zunehmend nicht nur in der Industrie, sondern auch im Bildungswesen und in der GST-Arbeit genutzt. Entsprechend erweitert sich in nächster Zeit der Kreis der Interessierten an Lösungen wie der im folgenden vorgestellten ständig. Dieser Beitrag soll zeigen, was man dabei auch auf dem Gebiet der Textverarbeitung erreichen kann.
Das Textverarbeitungssystem mit der Arbeitsbezeichnung "Wordpro" wurde von einem 14jährigen Schüler völlig selbständig entwickelt und erstmals im April 1986 im Rahmen der MMM-Bewegung in der Öffentlichkeit gezeigt. Es wurde auf einem Z80-Assembler geschrieben und läßt sich über die im folgenden kurz vorgestellten Eigenschaften hinaus erweitern und damit unterschiedlichen Aufgaben anpassen.
 

Speicherplatzbedarf

Das System kommt ohne BASIC aus, von dem zum Entwicklungszeitpunkt ohnehin nur eine speicherbelastende Kassettenversion verfügbar war. So kann man mit dem Grundgerät "KC 85/2" ohne Zusatz-RAM bereits etwa 100 Zeilen zu je maximal 80 Zeichen beschreiben. Mit 16-K-Modul lassen sich gleichzeitig etwa 10 Schreibmaschinenseiten zu je 32 Zeilen bearbeiten. Dabei erweist es sich als sehr günstig, daß man jeweils die gesamte Seite (übliche Manuskriptseitengestaltung) auf einmal auf dem Bildschirm sieht. Das erleichtert auch die Optimierung von Briefen u.ä. Mit seiner Gesamtlänge von weniger als 8 KByte eignet sich das Textsystem dazu, auf einem PROM-Modul M 025 dauerhaft untergebracht zu werden. Es paßt dann beim "KC 85/2" sogar noch in den dort freien Adreßbereich zwischen C000H und E000H. Man kann also bei diesem Typ ohne SWITCH-Befehl über 32 KByte Arbeitsspeicher verfügen, wenn der 16-K-Expansionsmodul gesteckt ist. Da in einem solchen Falle durch RAM und PROM beide Ports belegt sind, muß der Druckermodul dann hinten an den Expansionsport angeschlossen werden.
So geschah es am Muster mit einer Eigenbau-Parallelschnittstelle. Beim "KC 85/3" wird dagegen der Adreßbereich ab C000H bis zur letzten ansprechbaren Adresse vom neuen Betriebssystem und dem ROM-BASIC beansprucht. Hier muß man also für größere Textmengen die Umschaltmöglichkeiten auf weitere Speicher in Anspruch nehmen, die dieses Computerkonzept bietet.
 

Kursorsteuerung

Wie im Betriebssystemmodus, so kann auch bei "Wordpro" der Kursor mit den Pfeiltasten frei über den gesamten Bildschirm bewegt werden. Darüber hinaus gibt es nun noch einige Editier-Schnellfunktionen, die in Verbindung mit der SHIFT-Taste angesprochen werden. So wird die normale HOME-Funktion (Kursor in linke obere Schirmposition) erweitert auf Kursor nach rechts unten. Die horizontalen Pfeiltasten, mit SHIFT angesprochen, lassen den Kursor in der jeweiligen Richtung wortweise springen. Die vertikal wirkenden Pfeiltasten erlauben "Blättern" durch Verschieben des Bildschirminhalts auf die vorhergehende oder die folgende Seite. ENTER schließlich läßt den Kursor an den Anfang der nächsten Zeile springen.
 

Statuszeile und Tabulatoren

Mit SHIFT und F1 kann am oberen Bildschirmrand eine Statuszeile ein- oder ausgeblendet werden. Sie überdeckt im aktivierten Zustand dort eventuell vorhandenen Text, überschreibt ihn aber nicht. Fährt man mit dem Kursor in diese Zeile, verschwindet sie solange, und der Text erscheint wieder (und umgekehrt).
In der Statuszeile zeigen ein Zeilen- und ein Spaltenzähler stets die aktuelle Kursorposition an. In vier weiteren Feldern werden die schaltbaren Funktionen in ihrem gerade gültigen Modus angezeigt:
- WW on heißt, daß beim Schreiben am Zeilenende zu lange Worte automatisch, auf die nächste Zeile übernommen werden ("word wrapping")
- Jus on bedeutet, das System schreibt beim Ordnen rechtsbündig. Zwischen den Worten werden dabei gleichmäßige größere Abstände erzeugt. In dieser Betriebsart kann man auch nachträgliche Texte wieder in die vorherige Form bringen, und zwar block- oder auch nur zeilenweise. Dafür stehen auf den Funktionstasten Befehle zur Verfügung.
- Page on signalisiert aktivierten "Pagemode". Erreicht man beim Schreiben die unterste Zeile auf dem Schirm, so schaltet sich automatisch die nächste leere "Seite" ein, und der Kursor taucht wieder links oben auf. Bei der Anzeige "page off` schiebt sich dagegen der Text nur immer um eine Zeile nach oben.
- Clic on bringt eine Signalisierung jeder Tastenbetägigung über den eingebauten
Piezoschwinger beim KC 85/3, mit einem z. B. auf Leeraufnahme mit gedrückter Pausentaste geschalteten Rekorder (oder einem nachgerüsteten Signalgeber) beim KC 85/2.
Zwei weitere Felder zeigen die wählbare linke und rechte Randbegrenzung als Zahlenwert an. Zusätzlich werden diese Grenzen durch zwei senkrechte Balken am Unterrand der Statuszeile markiert. Innerhalb dieser Grenzen kann man von den Ordnungsfunktionen Gebrauch machen: zeilen- oder blockweise Flatterrandunterdrücken oder Rückgängigmachen dieser Ordnung, Zeileneinfügung auf "slicing"-Art (an gewünschter Stelle der Zeile wird Platz gemacht, der Zeilenrest beginnt in der nächsten Zeile vom zum leichteren Wiedereinordnen) u. ä.
Während Bild 1 Textproben mit gesetzten Tabulatoren und in deren Grenzen voller
Bildschirmbelegung zeigt, erkennt man in den beiden Teilbildern von Bild 2 die Wirkung der Flatterrandunterdrückung. Auf diesen Aufnahmen ist auch die Statuszeile besser sichtbar.

Bild1: Textproben zu "Wordpro" in unterschiedlicher Fotoqualität:

1a - volles Schirmbild mit 32 Zeilen á 80 Zeichen (Tabulator bei 12 und 75 gesetzt)


1b - außerhalb des linken Tabulators eingefügter Bildhinweis


1c - eingeblendete Statuszeile in bearbeiteter Version von 1b

Bild2: Besser erkennbare Statuszeile und Beispiel zur Flatterrandunterdrückung

2a - unformatiert


2b - gleicher Text, rechtsbündig formatiert. Die letzte Zeile kann mit 
Taste "unjust. line" wieder komprimiert werden

Tastenbelegung

Die Gestaltung der Tastatur kommt dem angestrebten schreibmaschinenähnlichen Betrieb schon relativ weit entgegen. Allerdings fehlen das ß und die Umlaute, ohne die kein vernünftiges deutsches Schriftbild erreicht werden kann. Um sie an den üblichen Stellen unterzubringen, mußten einige Sonderzeichen verlegt werden. Man erkennt das aus Bild 3. 

Bild 3: DurchBelegungsschablone und Aufkleber (für die Umlaute) an "Wordpro"
angepaßte Tastatur des KC 85/2

Das SemikoIon liegt jetzt mit auf der Kommataste, und den Doppelpunkt findet man über dem Punkt. Das Pluszeichen hat den vorherigen Platz des Doppelpunkts eingenommen. Alle deutschen Buchstaben entsprechen den ASCII-Kodes im deutschen Zeichensatz.
Die obere Tastenreihe bietet mit den sechs Funktionstasten 12 Möglichkeiten für
Textsystembefehle. 12 weitere sind von BRK- bis HOME-Taste verfügbar. 19 Funktionen davon waren zum Manuskriptzeitpunkt realisiert, die Belegungen von F5 und F6 standen noch in Reserve, und an den Einzelheiten für einen frei definierbaren 2. Zeichensatz wurde gearbeitet (SHIFT- und STOP-Taste - z. B. für kyrillische oder griechische Zeichen). Die den Pfeiltasten zugeordneten Funktionen wurden bereits besprochen. Weitere Funktionen sind in der Menüsteuerung anwählbar. Insgesamt sorgt im Muster, wie das Bild zeigt, eine Schriftmaske für das schnelle Eingewöhnen.