Wir lernten kennen: Kleincomputer KC 85/3

Der Kleincomputer KC 85/3 ist eine Weiterentwicklung des KC85/2 vom VEB Mikroelektronik "Wilhelm Pieck" Mühlhausen. Er besteht in seiner Grundausstattung wie sein Vorgänger aus zwei Teilen: dem Grundgerät und der über ein Kabel anschließbaren Tastatur. Das erlaubt Modifikationen, denn es hängt sehr stark vom Einsatzzweck ab, ob man mit dieser schreibmaschinenähnlichen Eingabe auskommt.
Das angewandte Baukastenprinzip gibt die interessante Möglichkeit, den Adreßraum auf 4 Mbyte auf schaltbaren Modulen zu erweitern. Dafür hält bereits das Grundgerät zwei Steckplätze bereit. Ein Expansionsport an der Rückseite gibt die Möglichkeit, weitere Peripherie anzuschließen, von der beim Hersteller bereits einiges in Vorbereitung ist. Leider geht dieses Expandieren für die ungeduldigen Nutzer bisweilen noch etwas zu langsam vor sich. Angesichts der Aufwärtskompatibilität zwischen den Modellen KC 85/2 und KC 85/3 vergrößert sich der Interessentenkreis beträchtlich. Manches könnte durch Eigenbau rascher genutzt werden, ohne damit die Absatzmöglichkeiten des Herstellers ernsthaft zu gefährden.

Gebrauchswert

Computer gehören zu jenen Objekten, mit denen verschiedene Anwender ganz unterschiedliche Vorstellungen und Einsatzwünsche verbinden. Nicht nur das unterscheidet sie wesentlich von sonst unter der Standardzeile „Wir lernten kennen" besprochenen Geräten. Es ist schwierig und für uns auch ein wenig Neuland, Allgemeingültiges herauszufinden. Das dürfte auch mehr einem Beitrag des Herstellers zu seinem Erzeugnis vorbehalten bleiben.
Einerseits ist dies unser erster Kleincomputer-Erfahrungsbericht. Andererseits liegen selbstverständlich auch gewisse, aber eben individuelle Erfahrungen zu den beiden anderen Modellen dieser Gruppe vor, die bisher zugänglich waren. Im wesentlichen sollte also der KC 85/3 am KC 85/2 gemessen werden, von dem ja bereits größere Stückzahlen im Einsatz sind. Diese Vergleiche sprechen also bereits zahlreiche Leser an, die mit jenem Modell arbeiten.
Zunächst ist es bei der Taktfrequenz von etwa 1,75 MHz geblieben. Alle daraus resultierenden Daten in der Anwendung sind also beiden Modellen gemeinsam. Doch bereits beim Einschalten zeigt sich, daß der KC 85/3 wesentlich mehr als sein Vorgänger kann.
Am augenfälligsten und wohl den größten Gebrauchswertzuwachs darstellend ist das sofort im Menü erscheinende Basic. Nicht nur das zeitraubende Laden von der Kassette entfällt, etwa 10 Kbyte mehr freier Arbeitsspeicher werden angeboten. Mit dem gesteckten 16-Kbyte-Modul hat man also nun fast 32 Kbyte zur Verfügung.
Doch das Menü weist noch eine ganze Reihe von nützlichen Betriebssystemroutinen aus, auf die ohne zusätzliche Vorbereitung zugegriffen werden kann. Dazu gehören das nun stark vereinfachte Belegen der Funktionstasten und die Anzeige ihres aktuellen Inhalts. Man kann so bekanntlich auch längere Sequenzen jederzeit abrufbar speichern oder, da diese Funktionstasten auch mit Basic erreichbar sind, Basic-Eintastenbefehle u. ä.
Zum unmittelbaren Maschinensprachedialog mit dem Rechner über MODIFY ist jetzt mit DISPLAY die Anzeige des Speicherinhalts in hexadezimaler Form in Achtergruppen möglich, angeführt von der hexadezimalen Speicheradresse und gefolgt von der ASCII-Darstellung der Speicherzellenbelegung.
Gebrauchswerterhöhend wirkt sich auch der schaltbare Tastenklick aus. Allerdings führt die dadurch manchmal höhere Schreibgeschwindigkeit (da die Annahme nicht mehr optisch kontrolliert werden muß) bisweilen zu Fehlinterpretationen durch den seriell arbeitenden Fernsteuerschaltkreis, der die.Tastaturbefehle über das nur zweiadrige Kabel dem Grundgerät übermittelt.
Von Bedeutung ist in der neuen Ausführung auch der aktuelle Stand der Shiftlock-Taste, denn über sie werden jetzt auch Kleinbuchstaben erreicht. Diese Eigenschaft hatte bisher der KC 85/1 voraus. Den elektronisch eingerasteten Zustand zeigt der Cursor durch Zweifarbigkeit an (zwei 4 X 8-Farbfelder übereinander). Diese gute Farbauflösung und die Möglichkeit, alle 256 X 320 Bildpunkte einzeln adressieren zu können, stellen einen weiteren großen Vorteil dieses Gerätes dar. Dadurch sind auch anspruchsvolle Aufgaben mit dem Computer lösbar. Unterstützt wird die Grafikprogrammierung im neuen Modell durch zwei Routinen, die einen Kreis bzw. eine Linie zeichnen. Beides geht recht schnell.
Schon vor Erscheinen des KC 85/3 war zum KC 85/2 ein Modul mit dem neuen Betriebssystern und ROM-residentem Basic erhältlich. Die Koexistenz von zwei Betriebssystemen im gleichen Gerät brachte wegen der Schaltbarkeit der Module relativ wenig Probleme. Doch mit Basicmodul und 16-Kbyte-Zusatzspeicher war eben die Aufnahmefähigkeit beider Modulschächte erschöpft, solange kein Erweiterungsaufsatz greifbar ist. Im KC 85/3 steht nun wieder ein freier Steckplatz zur Verfügung, und damit wird bei angemessener Arbeitsspeichergröße ein weiterer Vorzug der (schaltbaren) Modultechnik dieser Typen nutzbar. Mit dem 8-Kbyte-EPROM-Modul hat der Anwender die Möglichkeit, spezielle, jedoch häufig gebrauchte Software aus dem Menü heraus jederzeit zu starten. Zusammen mit der nun auch gegebenen Basicfunktion SWITCH läßt sich diese Modulsoftware sogar von Basicprogrammen aus aufrufen. 
Andererseits steht nun auch eine serielle Schnittstelle als Modul zur Verfügung. Der Anschluß z. B. von druckenden Ausgabegeräten ist "nur" noch eine Frage ihrer Verfügbarkeit. Aus diesem Grunde konnte das im gegebenen Zusammenhang noch nicht von uns untersucht werden.
 

Grenzen und Möglichkeiten

Vieles Positive bliebe noch zu nennen, angefangen von der Fenstertechnik bis hin zu eben jenen Erweiterungsmöglichkeiten, von denen erst ein Bruchteil Hardware Gestalt angenommen hat. Grenzen spürt der Anwender dort, wo die Taktfrequenz, die Arbeitsgeschwindigkeit zu begrenzen beginnt, oder dann, wenn die Nutzung bestimmter prinzipiell gegebener Funktionen nach perfekter Ausführung verlangt. Vieles könnte mit entsprechenden Kenntnissen und Voraussetzungen selbst getan werden, um das eigene Problem günstig lösen zu können. Deshalb sind uns detaillierte Geräteunterlagen (einschließlich Stromlaufplänen) und deren Verfügbarkeit sehr wichtig.
Sowohl Farbauflösung als auch Feingrafik z. B. lassen sich erst voll nutzen, wenn zwischen dem rückseitig angebrachten Steckverbinder TV-RGB und entsprechend vorbereiteten Sichtgeräten eine Kopplung möglich wird. Das jedoch gehört leider bisher noch nicht zu den allgemein zugänglichen Gebrauchswerterhöhungen unserer Fernsehgeräte. Es läßt sich jedoch schon sehr viel mit dem (F)BAS-Signal erreichen, das auf der genannten Leiste enthalten ist. Man speist es in den Bildverstärkereingang
des Sichtgerätes ein, das meist zunächst ein Schwarzweißportable sein dürfte. In jedem Falle muß jedoch vorher überprüft werden, ob das Gerät mit Netztrennung arbeitet! Ein auf solche Art angeschlossener Farbempfänger brachte im Vergleich zur HF-Einspeisung mit dem Testgerät bereits eindeutig bessere Grafik- und Farbwiedergabe. Man sollte sich also der kleinen Mühe einer solchen Nachrüstung unbedingt unterziehen. Auch für die Textverarbeitung ist das eine unbedingte Voraussetzung für akzeptable Ergebnisse.
Gerade in diesem Falle kommt allerdings bald auch der Wunsch nach einer für Dauerbetrieb günstigeren Tastatur auf. Solche Einheiten werden im Handel als Bestandteile aus elektronischen Schreibmaschinen angeboten. Die Umrüstung dieser Tastaturen mit dem Fernsteuerschaltkreis ist nur möglich, wenn die Tastenanzahl auf 64 begrenzt wird. Mit höherem Aufwand ist bei bestimmten Programmen allerdings eine Mehrfachbelegung erreichbar. Weiterhin könnte z. B. über eine externe PIO-Einheit am Expansionsport eine Paralleleingabe realisiert werden.
 

Gesamteinschützung

Dem Hersteller kann bescheinigt werden, daß seine modulare Konzeption diese Typenreihe zu einem vielseitigen, einer großen Zahl ganz unterschiedlicher Aufgabenstellungen anpaßbaren Arbeitsmittel werden läßt. Das Bestreben, in die Weiterentwicklung seinen ersten Typ auch weiterhin einzubeziehen, bedeutet langfristig Gebrauchswertzuwachs auch bei schon eingesetzten Geräten. Die dem Computer beigelegten Informationen und Anleitungen sind klar, ausführlich und verständlich geschrieben. So erhält auch der Einsteiger einen auf das Gerät hin maßgeschneiderten Basiclehrgang. Das ist das beste Mittel, im praktischen Umgang diese Programmiersprache genau am Zielgerät zu erlernen! Dem Assemblerprogrammierer dagegen werden mit der Offenlegung des Betriebssystems alle nötigen Mittel effektiver maschinennaher Programmierung in die Hand gegeben. Leider sieht es hardwareseitig noch nicht so gut aus. Die Grundgeräteaussagen erlauben zwar einen effektiven Umgang mit den beiden Anschlußleisten, tiefergehendes Einbeziehen der Hardware und vielleicht (nach der Garantiezeit) auch einmal eine Eigenreparatur sind nicht möglich. Entschärfen könnte der Hersteller diese Situation in mancher Hinsicht, wenn das Angebot an peripherer Hardware rasch erweitert werden könnte. Über all diesen noch offenen Wünschen und Vorstellungen sollte man jedoch nicht den bereits jetzt gegebenen hohen Gebrauchswert unterschätzen, den sowohl bereits der KC 85/2 als auch eben gerade der KC85/3 für die Ausbildung bis hin zur Kleinrationalisierung schon heute bietet - auch ohne das von größeren Computern her gewohnte schnelle Speichermedium.